Rückblick Brückenbauer
Im Projektzeitraum (01.07.2019 – 31.12.2021) nahmen über 700 Personen an offenen Workshops und 30 Kinder und Jugendliche aus Hoyerswerda in verschiedenen AGs teil.
Museumsführungen für Kids
Wer erfand den ersten Computer und das erste Computerspiel? Warum passen heutige Computer als Smartphone in die Hosentasche und waren früher so groß? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigte sich die Gruppe „ZCOM für Neustadtkids“ im ersten Projektjahr und entwickelte eine Führung mit interaktivem Quiz durchs ZCOM speziell für Grundschüler*innen der Neustadt. In Zeiten von coronabedingter Schließung und Lockdown entstand aus dem Konzept eine virtuelle Museumsführung, an der viele Kinder und Jugendliche über die Grenzen Hoyerswerdas hinaus teilnahmen.
Start from Scratch
Das Lernen einer neuen Sprache kann manchmal ganz schön schwierig sein, auch das Erlernen einer Programmiersprache birgt so manche Tücke. Einen guten Einstieg bietet daher die optische Programmiersprache Scratch, in der Programme niedrigschwellig aus verschiedenen Bausteinen aufgebaut werden können. In mehreren AGs über den Projektzeitraum erprobten die Teilnehmenden, wie sie mit Hilfe von Scratch kleine Geschichten, interaktive Karten oder Games programmieren können.
Spiele der letzten Workshops
DIY Druckwerkstatt
Die „Schüleragentur zur beruflichen Frühorientierung SBF“ beschäftigt sich mit der beruflichen Frühorientierung und Förderung von Schüler*innen sämtlicher Schularten der Sekundarstufe 2 in Hoyerswerda und Umgebung, veranstaltet Informationstage, Ausbildungsmessen und verschiedene Gemeinschaftsaktionen. In der AG erlernten die Teilnehmenden und Mitarbeiter*innen der SBF verschiedene Fertigungsverfahren im Umgang mit Grafiksoftware, Lasercutter und 3D-Drucker, um eigene Werbemittel herzustellen. Auch über den Projektzeitraum hinaus trifft sich die Gruppe an bestimmten Terminen im Computermuseum.
OPEN LAB – offen für Kreativität
Mit dem Projekt entstand das offene, kostenlose Format Open Lab, das auch nach dem Projektzeitraum monatlich weiterhin im ZCOM Zuse-Computer-Museum stattfindet. Hier kann jeder einmal die kreativen Möglichkeiten und Maker-Werkzeuge (3D Drucker, Lasercutter, CNC-Fräse) des Bitlabors für eigene Projekte und Basteleien ausprobieren. Während der coronabedingten Museumsschließung existierte das Format zeitweilig auch als digitales Format und Live-Tutorial
Vielfalt verbindet
Vieles geht zusammen besser! Ob als Mitmachstand auf den „Stadtteilanker Bürgerwiesen“ der Kulturfabrik Hoyerswerda e.V, virtuelles Lernangebot im „Mittagsband“ der Oberschule Hoyerswerda und im Projekt „Pimp your Mind“ der Zoo, Kultur und Bildung Hoyerswerda gGmbH oder bei der jährlichen GIHK „tour de tolérance“. Während des Projekts wurde die Netzwerkarbeit zu verschiedenen GIHK-Trägern und Bildungseinrichtungen des Stadtgebiets intensiviert, um die soziale Stadtentwicklung nachhaltig zu fördern.
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Pröhl – Zuse
Konrad Zuse besucht im September 1995 die Computer-Ausstellung im LAUTECH Hoyerswerda.
Begegnung mit Konrad Zuse 1995
im LAUTECH Hoyerswerda
(Fotos: Horst Tschiedel)
Hans-Jürgen Pröhl, Vorstandsmitglied des Konrad Zuse Forum e.V., schildert seine Eindrücke aus einer Begegnung mit Konrad Zuse anlässlich seines Aufenthaltes im September 1995 in Hoyerswerda.
Zur Ehren des hohen Besuches wurde im Lausitzer Technologiezentrum (LAUTECH) eine Computerausstellung aufgebaut, die zum Vorläufer des ZCOM Zuse-Computer-Museums wurde.
Meine Begegnung mit einem außergewöhnlichen Menschen
Alles hat eine Vorgeschichte. So auch meine Begegnung mit einem der größten deutschen Erfinder, dem Vater des Computers – Konrad Zuse.
Wenige Monate, nachdem ich mich bereiterklärt hatte, aktiv am Vereinsleben der SENAK teilzunehmen, erhielt ich Ende Mai 1995 vom damaligen Vereinsvorsitzenden Dieter Dunkel eine Einladung zu einem Gespräch. Thema des Gespräches war der bevorstehende Besuch von Konrad Zuse, seine Auszeichnung zum Ehrenbürger der Stadt Hoyerswerda und in diesem Zusammenhang die Mithilfe des Vereines bei den Besuchsvorbereitungen.
Die Idee, Gestaltung einer Ausstellung mit vorhandener Alt-PC-Technik, sollte Realität werden. Nach kurzer Besprechung erklärte ich mich bereit, zusammen mit Horst Tschiedel diese Aufgabe zu übernehmen. Das Ausstellungskonzept, das vorerst erarbeitet wurde, beschränkte sich auf einen Raum mit einer Ausstellungsfläche von 36 qm, den uns Dr. Rentsch im Lausitzer Technologiezentrum zur Verfügung stellte. Das kann für eine Ausstellung viel Platz bedeuten. Aber 18 museumsreife PC-Systeme als Exponate zu präsentieren, dazu die Entwicklungsgeschichte des Computers in Wort und Bild sowie die überwältigende Lebensleistung von Konrad Zuse auf den zur Verfügung stehenden Wandflächen zu dokumentieren, erforderte dennoch ein hohes Maß an Einfallsreichtum. Letztlich ist es uns mit Unterstützung von zwei Diplomanden dennoch gelungen. Das Fundament für das heutige Computermuseum war nach 10-wöchiger ehrenamtlicher Tätigkeit gelegt.
Aber zurück zu Zuse. Wer war Konrad Zuse? Zu seiner Person und zu seinem Schaffen war uns zu damaliger Zeit sehr wenig bekannt. Zu wenig, um hierauf eine Ausstellung aufzubauen. Um ihn und sein Lebenswerk in einer ersten Ausstellungsversion entsprechend in „Szene“ zu setzen, beschafften wir uns u.a. auch seine Autobiographie „Der Computer-Mein Lebenswerk“, analysierten den Inhalt und entwickelten hieraus entsprechende Vorstellungen für die Gestaltung der Ausstellung.
Faszinierend festzustellen, was Konrad Zuse mit seiner ausgeprägt vielseitigen Begabung in seinem Leben geleistet hat. Er wurde als ein Mensch mit ungeheuerer Vorstellungskraft für komplette mechanische Konstruktionen beschrieben. Er war der Schöpfer des weltweit ersten programmgesteuerten und freiprogrammierbaren Rechners in binärer Gleitpunktrechnung, der schon im Jahre 1941 alle wichtigen Merkmale eines Computers besaß und funktionierte. Und er besaß die Fähigkeit, die abstrakten Gesetzmäßigkeiten mathematischer Logik geschickt zur Konstruktion von Rechnern zu nutzen.
Seine wichtigsten Grundideen waren:
- die Nutzung des dualen Zahlensystems, verknüpft mit der Booleschen Algebra und – schon verwirklicht in seinen Maschinen:
- die halblogarithmische Zahlendarstellung, auch schon früh in seinen Maschinen umgesetzt und heute Grundlage der Gleitkomma-Arithmetik in Computern,
- der Plakalkül als universell einsetzbare algorithmische Sprache und Vorgänger heutiger formaler Sprachen und höherer Programmiersprachen.
Er war aber auch ein erfolgreicher Unternehmer, der mit der Zuse KG schon 1949 eine sehr innovative Computerfirma aufgebaut hat, die bis 1969 ca. 250 Rechenmaschinen im Wert von über 100 Mill. DM für vielfälltige Vernwendungen in Wissenschaft und Industrie auslieferte und die bis zu 1200 Beschäftigte zählte. Und er war passionierter Maler. Über 500 Bilder zeugen auch von seinen künstlerischen Fähigkeiten. Für seine Lebensleistungen erhielt Konrad Zuse zahlreiche nationale und internationale Ehrungen, Preise und Würdigungen. Heute führen öffentliche Einrichtungen und Straßen seinen Namen.
Dann war es endlich soweit, der 19.09.1995 war erreicht. Buchstäblich bis zur letzten Minute wurde an der Ausstellung gearbeitet. Dr. Rentsch nahm den hohen Ehrengast in Empfang und ich erwartete Konrad Zuse mit gespannter Hochachtung in unserer Ausstellung.
Konrad Zuse, 85-jährig und schon vom Alter gezeichnet, betrat als erster den Ausstellungsraum, im Gefolge einige seiner treuesten Weggefährten und Honoratioren der Stadt Hoyerswerda.
Konrad Zuse schreibt in das Gästebuch der Ausstellung:
„Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen“ (Goethe, Faust)
Nach der offiziellen Begrüßung durch Herrn Dr. Rentsch, begann ich mit der Vorstellung der einzelnen Exponate in der Ausstellung. Konrad Zuse hörte anfangs zu, unterbrach aber bald meine Vorstellung mit der Bemerkung, dass er von all dieser Technik nicht mehr viel verstehe. Ich war überrascht über diese schlichte Direktheit. Aber wiederum auch wieder verständlich, denn die jüngste Computergeneration ist technologisch nicht vergleichbar mit der Großrechentechnik aus der „Zuse–Ära“. Darum lässt sich auch nur erahnen, was die „Computerrevolution“, an deren Anfang und wichtigsten Wegkreuzungen der Name Zuse stand, für die Zukunft bedeuten kann.
Für mich bleibt die Begegnung mit Konrad Zuse ein unvergessliches Erlebnis – Respekt vor diesem Genie!
Hans-Jürgen Pröhl
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Mikrorechnersystem K1520
Mikrorechnersystem K1520 (Generatorrechner für Kohledruckvergasung) in der Dauerausstellung des ZCOM
Abschrift eines Artikels der Sächsischen Zeitung vom 26. Juni 2008:
Nur noch ein Zeitzeuge der Geschichte
von Hans-Jürgen Pröhl
Das Mikrorechnersystem K1520 zur Prozessüberwachung von Reaktoren zur Kohledruckvergasung ist
seit Juni 2007 Legende.
Das neueste Prachtstück des Konrad-Zuse-Computermuseums stammt von der Firma Sustec GmbH. Es
ist ein Teil der Systemtechnik K 1520, die unter anderem
einen Wartenrechner, einen Generatorrechner, Programmier-Rechnersystem und das Diagnose-Rechnersystem umfasst.
Das Mikrorechnersystem K 1520, hergestellt vom ehemaligen
VEB Kombinat Robotron, wurde ab 1978 in einer speziellen
Variante zur Prozessüberwachung und -steuerung von Reaktoren für die Kohledruckvergasung im
ehemaligen VEB Gaskombinat Schwarze Pumpe generiert. Seit Juni 2007 ist das Rechnersystem
Legende.
25 Jahre alt
Ein Vierteljahrhundert zuvor wurde das Mikrorechnersystem erstmals im Rahmen einer
Rekonstruktion an der 1. Generatoren-Vierergruppe eingesetzt.
Dabei befasste sich die umfangreiche Einsatzvorbereitung sowohl mit Fragen zur Systemtechnik, zur
Konstruktion als auch mit Fragen zur Anwendersoftware. Sie wurden problembezogen in
interdisziplinär zusammengesetzten Arbeitsgruppen, bestehend aus Verfahrenstechnikern,
Konstrukteuren, Automatisierern und Programmierern, gelöst.
Auch Betriebe wie das Institut für Energetik und der damalige VEB PKM-Anlagenbau waren an der
Entwicklung bzw. der Erprobung des Systems beteiligt. Die Rechnerausrüstung weiterer
Vierergruppen im Rahmen von Rekonstruktions-Maßnahmen erfolgte danach durch die eigene
Automatisierungseinheit des Stammbetriebes Schwarze Pumpe.
Der Einsatz dieses Mikrorechnersystems K 1520 im Gaswerk des damaligen Gaskombinates war mit
ein Garant für die Leistungssteigerung in der Kohledruckvergasung in den 80er Jahren. Bis zu 80
Prozent der Stadtgasversorgung der DDR konnten so abgesichert werden. Im Mai 1992 ging die
Kohledruckvergasung außer Betrieb.
Platz im Museum
Die mikrorechnergestützte Kohledruckvergasung, einst ein weltweit beachtetes Verfahren, hat aber
im kohlereichen China mit dem gleichen Know-how seine Fortsetzung gefunden. Noch heute versorgt
ein um die 90er Jahre errichtetes Druckgaswerk in der Provinz Heilongjiang die Millionenstadt Harbin
mit Stadtgas – ein Exportvorhaben der ehemaligen DDR.
In Schwarze Pumpe blieb mit der Umstellung der Anlagen auf Gaserzeugung durch
Reststoffverwertung für einen Teil der Gasgenerätoren der mikrorechnergestützte Betrieb bis Juni
2007 erhalten.
Aber dann war endgültig Schluss. Es folgten Abriss und Verschrottung. Das Prozessrechnersystem
kam ins Computermusum, wo man sich über die Schenkung natürlich sehr freute.
Das Zuse-Museumskollektiv wird bemüht sein, diese Schenkung musealisch so aufzubereiten, dass
damit ein weiterer technischer Zeitzeuge für den praktischen Einsatz von Prozessrechentechnik in
unserer Region in der Ausstellung seinen Platz finden wird.
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Ingrid Scholz
Beistellrechner ASM18 in den Technischen Sammlungen Dresden. (ASM steht für Addieren, Subtrahieren, Multiplizieren.)
Einer solchen Anlage brachte Frau Scholz die Division bei.
Mathematische „Höhenflüge“
Erinnerungen von Ingrid Scholz
Im September 1963 begann ich im Kombinat Schwarze Pumpe als frischgebackene Wirtschaftsmathematikerin. Das war eine Zeit, wo die Rechentechnik in den Betrieben sich noch auf die Lochkartentechnik beschränkte, und auch an der Universität gab es lediglich ein Rechenzentrum mit einer Anlage ZRA1, die wir als Studenten nie zu Gesicht bekamen. Außer der Programmiersprache ALGOL hatte ich also von Rechentechnik noch nichts gehört, und so startete ich meine Berufstätigkeit unter der damals noch nicht geläufigen Losung „Learning by doing!“
Zunächst versuchten wir, der Lochkartentechnik das Letzte abzuringen, erzwangen z.B. zur Berechnung von Durchschnittslöhnen die Division, obwohl die Rechnereinheit ASM 18 diese Grundrechenart nicht beherrschte.
1965 wurde eine kleine Abteilung Datenverarbeitung mit 4 Mitarbeitern, alle jünger als 30 Jahre, gegründet. Die erste Technik, die wir erhielten, waren Cellatron-Anlagen, welche per Lochstreifen oder über Konsole mit Programmen und Daten zu füttern waren, Speicherkapazität je 128 Worte für Programme und Daten.
Erst Anfang 1967 zeigte sich Licht am Horizont für den Einsatz einer echten EDVA. Deswegen wurde die Abteilung Datenverarbeitung mit Rückenwind durch die Kombinatsleitung aufgestockt auf etwa 60 Leute.
Beginnend mit einem Grobprojekt, welches gemeinsam mit Vertretern der Fachbereiche in Klausur erarbeitet wurde, dauert es noch bis Ende 1969 bis wir in dem extra dafür erbauten Rechenzentrum in Hoyerswerda unseren Robotron 300 in Betrieb nehmen konnten.
Gebäude des ehemaligen Rechenzentrums in Hoyerswerda/Kühnicht | Foto: G. Walter im April 2018
Ich war zu dieser Zeit Mitarbeiter im Abschnitt Planung. Unter Leitung von Hans-Dieter Dietrich (damals noch nicht Dr.) wagten wir uns sogar an die lineare Optimierung für die operative Monatsplanung.
Wir entwickelten im „Kollektiv“ ein Planungsmodellsystem mit 2 großen Linearoptimierungsmodellen (Produktionshauptverflechtungsmodell 1 und 2) und eine Reihe vor- und nachgelagerter Algorithmen und Programme. Unvorstellbare Rechenzeiten machten bald die Rechnerkapazität zum Engpass. Für einen Monatsplan benötigten wir zwischen 30 und 50 Rechnerstunden.
Mathematik in der Ökonomie hatte in den 70er jahren in der DDR einen hohen Stellenwert. Auch hier war die führende Rolle der Partei angesagt. Und so kam es, dass ich 1976 zu einem Seminar nach Rahnsdorf geschickt wurde, um über unsere Erfahrungen mit dem Planungsmodellsystem zu berichten.
Mit ein paar Notizzetteln in der Tasche fuhr ich hin und musste feststellen, dass die Veranstaltung kein Seminar, sondern eine Konferenz in einem großen Saal war. Außer mir gab es noch ein weibliches Wesen im Saal – ein junges Mädchen zur Bedienung des Bildwerfers.
Die ersten Beiträge strotzten nur so von Wissenschaft. Mir wurde regelrecht schlecht. Als in der Pause der Veranstaltungsleiter zu mir kam, bat ich ihn, auf meinen Auftritt zu verzichten. Leider ließ er sich darauf nicht ein, und so musste ich in freier Rede und mit Hilfe von Tafel und Kreide von unserer Arbeit berichten. Es war fast nicht zu glauben, aber mein Beitrag löste eine lebhafte Diskussion aus, und selbst in der Pause wurde ich noch in Gespräche verwickelt. Das lag wohl daran, dass unsere Lösung so gestaltet war, dass auch die Produktionsplaner in der Fachabteilung praktikabel damit umgehen konnten.
In meinen Personalunterlagen, welche wir nach der Wende einsehen und behalten konnten, habe ich das folgende Dankschreiben gefunden. Ich finde, es ist in vieler Hinsicht Spiegelbild der damaligen Zeit.
Diplom-Mathematikerin Ingrid Scholz
Dankschreiben an Frau Ingrid Scholz (Abschrift)
ZENTRALINSTITUT
FÜR SOZIALISTISCHE WIRTSCHAFTSFÜHRUNG BEIM ZK DER SED
1166 Berlin-Rahnsdorf / Fürstenwalder Damm 330
VEB Gaskombinat Schwarze Pumpe
Direktorat sozialistische Wirtschaftsführung
Genossin S c h o l z
761 Schwarze Pumpe, Kreis Spremberg
Werte Genossin Scholz!
Im beiliegenden Heft der von uns für die Teilnehmer unserer Lehrgänge herausgegebenen Informationen zur Weiterbildung auf dem Gebiet der sozialistischen Wirtschaftsführung konnte die Wirksamkeit der Anwendung mathematischer Methoden in der sozialistischen Wirtschaftsführung sowie ihre richtige Einordnung in die Leitung durch eine Reihe bewährter praktischer Beispiele leitergerecht demonstriert werden.
Die Vermittlung vieler wertvoller praktischer Erfahrungen wurde uns nur durch die Unterstützung der Wirtschaftspraxis möglich.
Du wirst bemerken, dass die Energiewirtschaft in diesem Heft einen hervorragenden Platz einnimmt.
Ich möchte Dir daher für die unserem Institut erwiesene Unterstützung und die von Dir uns zur Verfügung gestellten Informationen sehr herzlich danken und dabei auch die Dankbarkeit der Autoren des Heftes zum Ausdruck bringen.
In der Hoffnung auf weitere gute Zusammenarbeit
Mit sozialistischem Gruß
gez. i.V.
Prof. Dr. sc. oek. Gerisch
Abteilungsleiter
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Scholz / Walter
Zuse Z 25 in der Dauerausstellung des ZCOM
Produkte der Zuse KG für Schwarze Pumpe?
„Mitteilung“ von Ingrid Scholz mit einführenden Worten von Gerhard Walter
Der weltweite Aufschwung der Rechentechnik in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg führte auch in der DDR zu Überlegungen, die Produktion mit Hilfe der elektronischen Datenverarbeitung (EDV) zu automatisieren, zu rationalisieren, effektiver und sicherer zu gestalten. Durch den äußeren Rahmen des Kalten Krieges und des Systemwettbewerbs wurde in der DDR zunehmend erkannt, dass ein Wettlauf nur durch eine starke Ökonomie zu bestehen sei.
Unter schwierigen äußeren wirtschaftlichen Bedingungen, die von Sanktionen, Embargos und dem Gefälle zu westlichen Währungen gekennzeichnet waren, entwickelte sich an manchen Produktionsstätten im östlichen deutschen Staat mit Ideenreichtum, Findigkeit und intelligentem Neuerertum ein Drang, das Wenige so gut wie möglich auszunutzen. Aus dem Mangel entsprang mitunter eine enorme Kraft.
Kombinat Schwarze Pumpe in den 1970er Jahren | Foto: Privatsammlung Marianne Tschiedel
So spielte das in der Nähe von Hoyerswerda gelegene Gaskombinat Schwarze Pumpe (KSP) eine wesentliche Rolle bei der Veredlung einheimischer Braunkohle, die der DDR die weitgehende Unabhängigkeit von Importen an Energieträgern sicherte.
Eine Episode im Ringen um den Einsatz der EDV im Produktionsprozess des KSP zeigt eine Studie des Instituts für Datenverarbeitung (IDV) aus dem Jahr 1964. Ein Kuriosum dieser Studie ist der in Erwägung gezogene Einsatz von Produkten der Zuse KG, der jedoch letztendlich auf Ablehnung stieß. Das nachfolgende, von Frau Ingrid Scholz handschriftlich verfasste Dokument „Mitteilung“, nimmt Bezug auf diese Studie.
Bemerkenswert ist, wie weit die Überlegungen der jungen Fachkräfte der Datenverarbeitung trotz der Unzulänglichkeit der Mittel fortgeschritten waren, die Rationalisierung mittels EDV-Anlagen tatsächlich durchzuführen. Dabei wurde der Blick mutig nach vorn gerichtet, indem man sich technologisch an der Weltspitze orientierte.
Die 1965 zur Diskussion gestellte Studie liegt zwar nicht im Wortlaut vor, der Text der Mitteilung lässt jedoch auf Kerngedanken schließen. So ging es offensichtlich um die Einführung moderner Prozessrechentechnik zur Überwachung der Produktionsabläufe in der Kokerei des Gaskombinats Schwarze Pumpe. Im Konkreten befasste sich die Studie mit der Messwerterfassung und Verarbeitung von circa 11.000 Messstellen in der Kokerei des Gaskombinats Schwarze Pumpe (KSP).
Ohne eine auswertende Konzentration hätte die gewaltige Zahl anfallender Daten zur Überforderung des Leitstandes und damit zum Verlust der Möglichkeit geführt, den Produktionsprozess dynamisch zu steuern. Es ging darum, sich für ein System zu entscheiden, das die rechentechnische Bearbeitung von Prozessdaten gestattete. Gerätetechnisch standen mehrere Varianten zur Diskussion.
Als Hersteller in Frage kommender Systeme fand auch die Zuse KG Erwähnung. Es ist anzunehmen, dass zu dieser Zeit ein Rechner vom Typ Z 25 ins Auge gefasst wurde, der ab 1963 in Serienproduktion lief und bereits an verschiedenen Stellen in Forschung und Industrie zum Einsatz kam.
Sequenz der Mitteilung von Ingrid Scholz, die Bezug auf die Zuse AG nimmt
Auch die Notwendigkeit der Schaffung von Redundanzen zur Erhöhung der Ausfallsicherheit wurde in der Studie behandelt. Schließlich spielte auch die Frage der Qualifikation des Bedienungspersonals der neuen Technik eine Rolle.
„Mitteilung“ vom 27.04.1965, verfasst von Ingrid Scholz
Hier in der Abschrift des handschriftlichen Originals zu lesen:
Mitteilung | Pumpe, den 27.4.65 Scho |
Betr.: | Beurteilung der Studie des IDV Datenverarbeitung Kokerei KSP Themen-Nr. 4 – 21 423 / 4 Teil 1 |
Laut Aufgabenstellung sollen mit der vorliegenden Studie technisch und ökonomisch infrage kommende Varianten zur methodischen und gerätetechnischen Realisierung der Meßwerterfassung und -verarbeitung in der 1. Kokerei des KSP erarbeitet werden.
Im Ergebnis wird der Einsatz des Systems CAE 510 oder als Ausweichmöglichkeit der Systeme Gamma M 40 (Bull) oder Arch 2000 (Elliot) vorgeschlagen. Grundlage für die Ermittlung der Anforderungen an ein solches System war ein im 1. Halbjahr 1964 vom WTI Cottbus erarbeiter Datensollentwurf. Dieser Datensollentwurf verlangt die Meßwerterfassung und -verarbeitung von mehr als 11.000 Meßstellen. Da auf dem Gebiet der Prozeßüberwachung mit Hilfe der Datenverarbeitung in der DDR kaum Erfahrungen vorhanden sind, mußte auch zwangsläufig dieser erste Datensollentwurf Mängel aufweisen. Man sollte von einem Fachinstitut für Datenverarbeitung erwarten können, daß demzufolge ein solcher Datensollentwurf nicht kritiklos hingenommen wird, sondern daß erst nach gründlicher Überprüfung und eventueller Korrektur dieser Arbeitsunterlagen die gerätetechnische Bearbeitung in Angriff genommen wird. Dabei sollten folgende Gesichtspunkte unbedingt Beachtung finden: 1.) Welche vergleichbaren Systeme gibt es im internationalen Maßstab, und wie realisieren diese methodisch die Prozeßüberwachung? 2.) In welchem Verhältnis stehen Eingabe- und Ausgabeaufwand? 3.) Sind Umfang, Form und Zyklus der Datenausgabe so gehalten, daß mit den ausgegebenen Werten und Signalen auch sinnvoll gearbeitet werden kann? 4.) Ist gewährleistet, daß die Ergebnisse des Systems für langfristige Auswertungen anwendbar sind? Inzwischen ist der Umfang der Meßstellen auf Veranlassung des WTI durch die Bereichstechnologie Kokereien auf etwa 6000 reduziert worden, und außerdem hat das WTI einen neuen Datensollentwurf, der o.g. Gesichtspunkte weitesgehend berücksichtigt, erarbeitet. Das hat zur Folge, daß die vom IDV mühsam zusammengestellten Anforderungen an eine MEVA in der 1. Kokerei des KSP ungültig geworden sind und damit sicherlich in bestimmten Umfang auch die vorgeschlagenen Varianten zur gerätetechnischen Realisierung. Zu einigen Problemen der Studie vom 10.12.1964: 1) H&Z – Sonderhefte ACHEMA’64, 1964, Frankfurt am Main, Stefan Block, „Stufen der Automation“, S. 5 2.) Auf Seite 9 wird gesagt, daß bei Rückgang auf die herkömmliche Meßtechnik nach Angaben des KSP ein Mehraufwand von ca. 100 Arbeitskräften erforderlich wäre. Wir sind natürlich momentan nicht in der Lage, diese Zahl anzufechten; es ist uns jedoch nach Einblicknahme in den Perspektivplan des KSP aufgefallen, daß vonseiten der Bereichstechnologie Kokereien keine richtigen Vorstellungen über Umfang und Qualifikation des Bedienungspersonals der MEVA vorhanden sind. 3.) Seite 10 4.) Zu Angebot CAE 510
In der Abschrift wurde die originale Rechtschreibung beibehalten. |
Abkürzungen und Bezeichnungen: KSP IDV WTI MEVA CAE 510 Gamma M 40 (Bull) Gier-System Eurocomp |
Kombinat Schwarze Pumpe Institut für Datenverarbeitung Wissenschaftlich Technisches Institut Cottbus Meßstellen Erfassungs- und Verarbeitungssystem Computer für Industrie und Foschung (1962) Computer zur Prozeßsteuerung (1962) ? ? |
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Gert Beckert
Auf dem Gemälde aus dem Jahre 1975 sind zu sehen (von rechts nach links): Schichtleiterin Vera Werner, die Bedienerinnen (Operatorinnen) Sigrid Oswald, Frau Wlodarzak?, Gudrun Gabriel, Gudrun Päckert und der Programmierer Erik Lingel.
‚Im Rechenzentrum‘ – Geschichte eines Gemäldes
Einleitend: Das Gemälde des Hoyerswerdaer Malers Kurt Klinkert ‚Im Rechenzentrum‘ stellt zusammenfassend die in vielen Skizzen verarbeiteten Eindrücke der Arbeitswelt im Rechenzentrum Hoyerswerda dar. Das Bild fand mit der Eröffnung des ZCOM einen würdigen Platz in der Dauerausstellung unseres Museums. Nach Aussagen von Herrn Beckert studierte Kurt Klinkert meist zu den Nachtstunden eine bestimmte Schicht und damit die Arbeit eines kleinen Personenkreises. Nach unzähligen ‚Sitzungen‘ wurde die Anwesenheit des Malers von den Mitarbeiterinnen kaum noch wahrgenommen. Herr Klinkert soll sich bei diesem Auftragswerk erstmals an die vordergründige Darstellung von Menschen gewagt haben. Das Werk wurde nach seiner Fertigstellung am 19. Dezember 1975 dem Rechenzentrum Hoyerswerda übergeben. (G. Walter nach einem Gespräch mit Herrn Beckert am 27. März 2018)
Auf dem Foto zur Übergabe des Bildes sind zu sehen (von rechts nach links):
Gudrun Gabriel, Kurt Klinkert, Vera Werner, Gert Beckert
Gert Beckert erinnert sich:
Bemerkungen zum Werk von Kurt Klinkert ‚Im Rechenzentrum‘
Bei diesem Bild handelt es sich um ein Auftragswerk der Betriebsgewerkschaftleitung (BGL, Werkleitung des FDGB) im Braunkohlenveredelungswerk Schwarze Pumpe an das langjährige Mitglied des Mal- und Zeichenzirkels des KSP(Gaskombinat Schwarze Pumpe) Kurt Klinkert.
Im Herbst begannen die Studien zum Thema. In vielen Nachtschichtstunden beobachtete er die Bediener und fertigte eine Vielzahl von Skizzen an. In dieser Zeit entwickelte sich zwischen Maler und den später Dargestellten eine freundschaftliche Atmosphäre.
Weiter zum Bild:
Um die Verbindung zum KSP und dem Rechenzentrum in Hoyerswerda darzustellen, benutzte der Künstler einen Trick oder Kunstgriff. Der Blick aus dem Fenster zeigte die acht Schornsteine der Kraftwerke des KSP.
Mit der Bildung der ESPAG (Energiewerke Schwarze Pumpe AG) im Jahre 1990/91 war das Wandbild ‚Im Rechenzentrum‘ bereits im Abfallcontainer gelandet, wie berichtet wurde. Der neue Leiter des Rechenzentrums Hoyerswerda aus den alten Bundesländern erkannte den Wert des Kunstwerkes und bewahrte es in letzter Minute vor der Vernichtung. Wenn wir heute das Wandbild betrachten, das einen schönen Platz im ZCOM Zuse-Computer-Museum in Hoyerswerda gefunden hat, sollten wir Herrn Jürgen Lehnhardt aus Wiesbaden Dank sagen.
gez. Gert Beckert, 26. März 2018
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Computergeschichten
10 Computergeschichten
Hier finden Sie persönlich Erlebtes, Stories rund um den Computer. Zeitzeugen der faszinierenden Evolution der Computertechnik und der elektronischen Datenverarbeitung (EDV), die nach Konrad Zuses Pionierleistung einsetzte, berichten aus der Sicht von Anwendern, Organisatoren, Technikern und Programmierern.
Gerhard Walter
Vorstandsmitglied im Konrad Zuse Forum Hoyerswerda e.V.
Die vollständigen Geschichten lesen Sie jeweils unter MEHR ERFAHREN hier unten: ↓
Falls Sie Lust verspüren, ihre Geschichte an dieser Stelle zu erzählen, senden Sie Ihren Text bitte an:
oder in gedruckter Form an:
- ZCOM Zuse-Computer-Museum,
D.-Bonhoeffer-Str. 1-3, 02977 Hoyerswerda
EDV in der Kohle-
industrie der DDR (Marianne Tschiedel)
Planwirtschaft und Maximalproduktion von Braunkohle stellten im VEB KSP ständig höhere Anforderungen an die Organisation des Absatz- und Versorgungsprozesses. Die Rechentechnik sollte dazu beitragen. 1968/69 wurden die ersten Überlegungen angestellt. (…)
Im Rechenzentrum Hoyerswerda (Gert Beckert)
Das Gemälde des Hoyerswerdaer Malers Kurt Klinkert ‚Im Rechenzentrum‘ stellt zusammenfassend die in vielen Skizzen verarbeiteten Eindrücke der Arbeitswelt im Rechenzentrum Hoyerswerda dar. (…)
Produkte der Zuse KG für Schwarze Pumpe? (I. Scholz / G. Walter)
Der weltweite Aufschwung der Rechentechnik in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg führte auch in der DDR zu Überlegungen, die Produktion mit Hilfe der elektronischen Datenverarbeitung (EDV) zu automatisieren, zu rationalisieren, (…)
Mathematische
„Höhenflüge” (Ingrid Scholz)
Im September 1963 begann ich im Kombinat Schwarze Pumpe als frischgebackene Wirtschaftsmathematikerin. Das war eine Zeit, wo die Rechentechnik in den Betrieben sich noch auf die Lochkartentechnik beschränkte, und auch an der Universität (…)
Begegnung mit Konrad Zuse
1995 in Hoyerswerda
(Hans-Jürgen Pröhl)
Hans-Jürgen Pröhl, Vorstandsmitglied des Konrad Zuse Forum e.V., schildert seine Eindrücke aus einer Begegnung mit Konrad Zuse anlässlich seines Aufenthaltes im September 1995 in (…)
Mikrorechnersystem K1520 im
Kombinat Schwarze Pumpe
(Hans-Jürgen Pröhl)
Das Mikrorechnersystem K1520 zur Prozessüberwachung von Reaktoren zur Kohledruckvergasung ist seit Juni 2007 Legende. Das neueste Prachtstück des Konrad-Zuse-Computermuseums stammt von (…)
Das Kombinat Robotron in Hoyerswerda
(Marcus Matics)
Um zu verstehen, weshalb der Name Robotron bei vielen Menschen Teil des Gedächtnisses ist, hilft ein Blick in die Geschichte und auf den folgenden Zusammenhang aus dem Jahr 1989. Zu diesem Zeitpunkt versammelte das Kombinat Robotron 21 Industriebetriebe unter (…)
Erinnerungen an den ersten DDR-Kleinrechner SER2c
(Ilse Streichan)
Als ich 1968 nach meinem Studium in Rodewisch in das Institut für Grobkeramik und Natursteine nach Großräschen kam, hatte das Institut gerade ganz neu einen Kleinrechner SER2c erhalten. Damals konnten solche Geräte ja (…)
Mathematische Modellierung am Kleinrechnersystem 4200
(Günter Schmidt)
Um die bedarfsgerechte Produktion der in der Bauwirtschaft benötigten Baustoffe Schotter und Splitt in den geforderten Sortimentsgrößen besser erfüllen zu können, wurden in den 1970er Jahren Verfahren der mathematischen Modellierung und Optimierung entwickelt und eingesetzt. (…)
„Softwareentwicklung blieb meine Leidenschaft“
(Marianne Tschiedel)
Meine berufliche Tätigkeit im Rechenzentrum des ehemaligen Gaskombinates Schwarze Pumpe (GKSP) endete im Jahre 1997. Nach Kurzarbeit und halbjähriger Arbeitslosigkeit hatte ich mit 58 Jahren plötzlich keine beruflichen Aufgaben mehr zu erledigen. (…)
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Marianne Tschiedel
Marianne Tschiedel in den 1990er Jahren an ihrem Arbeitsplatz im Rechenzentrum in Hoyerswerda
EDV beim Absatz und Vertrieb fester Brennstoffe
für die gesamte Kohleindustrie der DDR
Erinnerungen von Marianne Tschiedel
Planwirtschaft und Maximalproduktion von Braunkohle stellten im VEB KSP 2 ständig höhere Anforderungen an die Organisation des Absatz- und Versorgungsprozesses. Die Rechentechnik sollte dazu beitragen. 1968/69 wurden die ersten Überlegungen angestellt. Seit dieser Zeit war ich als verantwortliche Themenleiterin eingesetzt. Grundsätzlich gingen wir von einer dezentralen Versanderfassung in den Versandstellen Sabrodt und Spreewitz und einer zentralen Rechnungslegung und Abrechnung im Rechenzentrum Hoyerswerda aus. Zunächst wurden in den Versandstellen Orgautomaten 528 zur rechnergestützten Frachtbriefausschreibung eingesetzt. Sie erzeugten gleichzeitig Lochstreifen mit den erforderlichen Waggondaten.
Gebäude des ehemaligen Rechenzentrums in Hoyerswerda/Kühnicht | Foto: G. Walter im April 2018
Mit der Inbetriebnahme der EDV-Anlage R300 im Rechenzentrum (RZ) Hoyerswerda begann 1970 die Projektierung und Programmierung der Rechnungslegung. Ich erinnere mich an das erste Rechnungsformular, das von Frau Kuhnert programmiert wurde. Die Fachabteilung und wir waren begeistert. 1974 hatten wir das EDV-Projekt „Rechnungslegung und Abrechnung fester Brennstoffe“ entwickelt. In der gesamten Kohleindustrie der DDR gab es kein vergleichbares Projekt, so dass wir eigentlich Pionierarbeit leisteten. Es wurde für alle Betriebe angepasst und ab 1976 in deren Rechenzentren eingeführt. Mit fortschreitender Rechentechnik, sprich ESER 3, sollte der ganze Prozess weiter optimiert werden. Jetzt interessierten sich auch die Staatliche Kohleversorgung (SVK) in Berlin und Leipzig sowie 15 VEB Kohlehandel für unser Projekt. Es folgte eine Zeit größter Arbeitsintensität. Ich weiß noch, wie ich für bis zu zehn Programmierer gleichzeitig projektierte. Damals herrschte noch „Worksharing“ zwischen den Organisatoren und Programmieren!
In den 80er Jahren waren überbetriebliche Arbeitsgruppen tätig, um den fachlichen Anforderungen aller Kombinate gerecht zu werden. Abenteuerlich war zeitweise die hardwaretechnische Ausstattung der Versandstellen. Wie ein Puzzle wurden die Geräte zusammengetragen. Jede Steckeinheit wurde zum Beschaffungsproblem, und ohne Eigenanfertigung im Mikroelektroniklabor wäre der Versandprozess wohl nie zum Laufen gekommen. Immerhin mussten die Daten von täglich 20 Vollzügen mit jeweils ca. 40 Waggons Kohle erfasst und dem Zentralrechner zur Verfügung gestellt werden. Auch die Deutsche Reichsbahn bzw. Anschlussbahn waren mit einbezogen. Sie experimentierten an einem sogenannten „Bauchladenerfassungsgerät“ für die einfahrenden Leerwagenzüge. Weitere einzelne Module, wie die Erfassung von Einzelaufträgen (Versanddispositionen) und der Landabsatz, konnten integriert werden.
Die komplexe Lösung nahm sichtbare Formen an: ein operatives Informationssystem (OIS), das die Informationen täglich für alle Leitungsebenen bis hin zur SKV Berlin bzw. zum MKE bereitstellen sollte. Dafür benötigten wir 1987 eine größere Anzahl von „Kleincomputern“. Eingesetzt wurden die Typen PC 1715, BC 5120, AC 7100 und K 1630 von verschiedenen Herstellern. Entsprechend bunt waren die Programmiersprachen. Die Stammprogrammierer Ursula Baumgart, Eveline Lippert, Angelika Urbanek und Günther Lange können ein Lied davon singen. Seit 1986 programmierte ich selbst mit. Viele PC-Lehrgänge mussten besucht werden, auch von mir.
1989 näherten wir uns unserem großen Ziel. In Würdigung der erzielten Leistungen erhielt das überbetriebliche Forschungskollektiv für das sog. Staatsplanthema noch im April 1989 die Auszeichnung „Banner der Arbeit Stufe II“ im Roten Rathaus in Berlin. Die letzten Absprachen mit der SVK in Leipzig am Markt wurden jedoch bereits von den großen Demonstrationen begleitet.
Mit der Wende 1990 kam alles anders. Die Kohlebetriebe wurden neu „strukturiert“, der Verbund und das „Republiksprojekt“ aufgelöst. Mit neuer IBM-Rechentechnik kamen die Host-Softwarelösungen „ILAS“ und „SAP“ aus dem ehemaligen „Westen“, die umfangreich und mit viel Aufwand angepasst werden mussten. Für die LMBV 4 kaum noch lohnenswert, da hier die Produktion und Absatz fester Brennstoffe bald auslaufen sollte. Einzig die von Frau E. Lippert geschaffene PC-Versandlösung fand in der LAUBAG ihre weitere Anwendung.
Bis 1997 waren es für mich 33 Jahre Arbeit und Rationalisierung im Wandel der Rechentechnik – eine sehr interessante Tätigkeit. Viele „PC-Kandidaten“ stehen heute bereits im Computermuseum! Als Rentnerin habe ich jetzt Zeit, sie hin und wieder zu besuchen.
1) EDV = Elektronische Datenverarbeitung
2) VEB KSP = Volkseigener Betrieb Kombinat Schwarze Pumpe
3) ESER = Einheitliches System der Elektronischen Rechentechnik
4) LMBV = Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft
Diplom-Ökonomin Marianne Tschiedel
Hoyerswerda, den 25.02.2001
Informationsfluss beim Bahnabsatz – Schematische Darstellung
Die Grafik entstand nach der Überführung des Gaskombinats Schwarze Pumpe (GSP) in die Energiewerke Schwarze Pumpe AG (ESPAG). Sie stellt in Grundzügen den Stand von 1989 dar, dem Jahr, in dem den Entwicklern des Projekts „Rechnergestütztes Produktions- und Transportregime fester Brennstoffe“ die Kollektivauszeichnung „Banner der Arbeit“ verliehen wurde.Die Grafik wurde unmittelbar nach 1990 vom neu eingesetzten Leiter der Abteilung Datenverarbeitung, Herrn Jürgen Lenhardt aus Wiesbaden, erstellt.
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