Beistellrechner ASM18 in den Technischen Sammlungen Dresden. (ASM steht für Addieren, Subtrahieren, Multiplizieren.)
Einer solchen Anlage brachte Frau Scholz die Division bei.

Mathematische „Höhenflüge“

Erinnerungen von Ingrid Scholz

Im September 1963 begann ich im Kombinat Schwarze Pumpe als frischgebackene Wirtschaftsmathematikerin. Das war eine Zeit, wo die Rechentechnik in den Betrieben sich noch auf die Lochkartentechnik beschränkte, und auch an der Universität gab es lediglich ein Rechenzentrum mit einer Anlage ZRA1, die wir als Studenten nie zu Gesicht bekamen. Außer der Programmiersprache ALGOL hatte ich also von Rechentechnik noch nichts gehört, und so startete ich meine Berufstätigkeit unter der damals noch nicht geläufigen Losung „Learning by doing!“

Zunächst versuchten wir, der Lochkartentechnik das Letzte abzuringen, erzwangen z.B. zur Berechnung von Durchschnittslöhnen die Division, obwohl die Rechnereinheit ASM 18 diese Grundrechenart nicht beherrschte.
1965 wurde eine kleine Abteilung Datenverarbeitung mit 4 Mitarbeitern, alle jünger als 30 Jahre, gegründet. Die erste Technik, die wir erhielten, waren Cellatron-Anlagen, welche per Lochstreifen oder über Konsole mit Programmen und Daten zu füttern waren, Speicherkapazität je 128 Worte für Programme und Daten.

Erst Anfang 1967 zeigte sich Licht am Horizont für den Einsatz einer echten EDVA. Deswegen wurde die Abteilung Datenverarbeitung mit Rückenwind durch die Kombinatsleitung aufgestockt auf etwa 60 Leute.
Beginnend mit einem Grobprojekt, welches gemeinsam mit Vertretern der Fachbereiche in Klausur erarbeitet wurde, dauert es noch bis Ende 1969 bis wir in dem extra dafür erbauten Rechenzentrum in Hoyerswerda unseren Robotron 300 in Betrieb nehmen konnten.

Gebäude des ehemaligen Rechenzentrums in Hoyerswerda/Kühnicht | Foto: G. Walter im April 2018

Ich war zu dieser Zeit Mitarbeiter im Abschnitt Planung. Unter Leitung von Hans-Dieter Dietrich (damals noch nicht Dr.) wagten wir uns sogar an die lineare Optimierung für die operative Monatsplanung.
Wir entwickelten im „Kollektiv“ ein Planungsmodellsystem mit 2 großen Linearoptimierungsmodellen (Produktionshauptverflechtungsmodell 1 und 2) und eine Reihe vor- und nachgelagerter Algorithmen und Programme. Unvorstellbare Rechenzeiten machten bald die Rechnerkapazität zum Engpass. Für einen Monatsplan benötigten wir zwischen 30 und 50 Rechnerstunden.

Mathematik in der Ökonomie hatte in den 70er jahren in der DDR einen hohen Stellenwert. Auch hier war die führende Rolle der Partei angesagt. Und so kam es, dass ich 1976 zu einem Seminar nach Rahnsdorf geschickt wurde, um über unsere Erfahrungen mit dem Planungsmodellsystem zu berichten.
Mit ein paar Notizzetteln in der Tasche fuhr ich hin und musste feststellen, dass die Veranstaltung kein Seminar, sondern eine Konferenz in einem großen Saal war. Außer mir gab es noch ein weibliches Wesen im Saal – ein junges Mädchen zur Bedienung des Bildwerfers.
Die ersten Beiträge strotzten nur so von Wissenschaft. Mir wurde regelrecht schlecht. Als in der Pause der Veranstaltungsleiter zu mir kam, bat ich ihn, auf meinen Auftritt zu verzichten. Leider ließ er sich darauf nicht ein, und so musste ich in freier Rede und mit Hilfe von Tafel und Kreide von unserer Arbeit berichten. Es war fast nicht zu glauben, aber mein Beitrag löste eine lebhafte Diskussion aus, und selbst in der Pause wurde ich noch in Gespräche verwickelt. Das lag wohl daran, dass unsere Lösung so gestaltet war, dass auch die Produktionsplaner in der Fachabteilung praktikabel damit umgehen konnten.

In meinen Personalunterlagen, welche wir nach der Wende einsehen und behalten konnten, habe ich das folgende Dankschreiben gefunden. Ich finde, es ist in vieler Hinsicht Spiegelbild der damaligen Zeit.

Diplom-Mathematikerin Ingrid Scholz


Dankschreiben an Frau Ingrid Scholz  (Abschrift)

ZENTRALINSTITUT
FÜR SOZIALISTISCHE WIRTSCHAFTSFÜHRUNG BEIM ZK DER SED
1166 Berlin-Rahnsdorf / Fürstenwalder Damm 330

VEB Gaskombinat Schwarze Pumpe
Direktorat sozialistische Wirtschaftsführung
Genossin S c h o l z
761 Schwarze Pumpe, Kreis Spremberg

Werte Genossin Scholz!

Im beiliegenden Heft der von uns für die Teilnehmer unserer Lehrgänge herausgegebenen Informationen zur Weiterbildung auf dem Gebiet der sozialistischen Wirtschaftsführung konnte die Wirksamkeit der Anwendung mathematischer Methoden in der sozialistischen Wirtschaftsführung sowie ihre richtige Einordnung in die Leitung durch eine Reihe bewährter praktischer Beispiele leitergerecht demonstriert werden.

Die Vermittlung vieler wertvoller praktischer Erfahrungen wurde uns nur durch die Unterstützung der Wirtschaftspraxis möglich.

Du wirst bemerken, dass die Energiewirtschaft in diesem Heft einen hervorragenden Platz einnimmt.

Ich möchte Dir daher für die unserem Institut erwiesene Unterstützung und die von Dir uns zur Verfügung gestellten Informationen sehr herzlich danken und dabei auch die Dankbarkeit der Autoren des Heftes zum Ausdruck bringen.

In der Hoffnung auf weitere gute Zusammenarbeit

Mit sozialistischem Gruß

gez. i.V.
Prof. Dr. sc. oek. Gerisch
Abteilungsleiter

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