Cellatron SER 2c in der Dauerausstellung im ZCOM – An einem solchen Rechner arbeitete Frau Streichan.

Erinnerungen an den ersten DDR-Kleinrechner SER2c

Ilse Streichan

Als ich 1968 nach meinem Studium in Rodewisch in das Institut für Grobkeramik und Natursteine nach Großräschen kam, hatte das Institut gerade ganz neu einen Kleinrechner SER2c erhalten. Damals konnten solche Geräte ja nicht einfach bestellt werden, sondern man benötigte eine Bilanzzuweisung vom Ministerium, praktisch einen Bezugsschein. Da das Institut ein Betrieb mit Forschung, Entwicklung und Herstellung von Ausrüstungen und Maschinen für die Bauindustrie war, hatte man wohl einen Vorrang. Hier wurden große Entstaubungsgeräte, Sägegatter und Bohrgeräte für die Natursteinindustrie hergestellt. Das Institut zählte ca. 200 Mitarbeiter. Für die Produktion benötigte man ca. 2000 verschiedene Materialartikel und ca. 100 spezialisierte Werkzeugmaschinen. All diese Produktionsmittel mussten bis dahin mit Karteikarten (Kerblochkarten, Format A4) manuell verwaltet werden. Das bedeutete, die Karten mussten manuell beschrieben und gekerbt werden. Benötigte man Daten einer bestimmten Gruppe, „filterte“ man mit Hilfe einer Suchnadel.


Kerblochkarten – das Filter-Prinzip

Da lag es nahe, einen Kleinrechner SER2c für diese Verwaltungstätigkeiten einzusetzen. Wir waren damals im Rechenzentrum 4 Personen, 2 Programmierer und 2 Erfasserinnen. Als „Organisations- und Programmierassistentin“ hatte ich die Aufgabe, den Informationsfluss zwischen den Fachbereichen und dem Rechenzentrum zu koordinieren.


mein SER2c-Arbeitsplatz im Büro Halle 2

Wir verwendeten den SER2c für die Materialbestandsführung, wobei auf dem Leser 1 die Materialstammdaten und auf dem Leser 2 die monatlich erfassten Materialzugänge und Materialentnahmescheine eingelesen wurden. Der Stanzer gab das neue Stammdaten-Lochband für die nächste Monatsabrechnung aus. Das Schreibwerk druckte das Materialjournal auf 4-faches A3-Papier, das dann entsprechend der festgelegten Organisation in die Fachbereiche verteilt wurde. Das Papier hatte damals noch keine Längsperforation, sodass es beim Druck der langen Listen zu Verschiebungen im Druckbild kam. Parallel erfolgten die Summen- und Teilsummenbildung des Materialbestandes je Materialgruppe und die Prüfung von Mindestbeständen. Der Mindestbestand je Artikel war auf dem Stammband fixiert. Ähnlich funktionierte die Berechnung der monatlichen Abschreibungen für den Werkzeugmaschinenbestand.

Interessant war auch die Lohn- und Gehaltsabrechnung je Mitarbeiter. Natürlich gab es dazu wieder ein Personalstammband am Leser 1 und am Leser 2 wurden die monatlichen Stundenbögen bzw. Lohnscheine der Mitarbeiter erfasst. Auf der Schreibmaschine entstand dann auch gleich der Lohnabrechnungs-Streifen. (s. Muster)


Muster eines Lohnabrechnungsstreifens

Die Perforierung des Papiers gestattete, dass jeder Mitarbeiter davon gleich seinen Lohnzettel als Streifen erhalten konnte. Alle Bewegungsdaten wurden monatlich auf dem Gerät Cellatron erfasst. Speziell zur Aufnahme der Bewegungsdaten arbeiteten zwei „Erfassungs-Kolleginnen“, die die Belege auf 5-Kanal-Lochstreifen stanzten.


Datenerfassung am Cellatron

Die Belege wurden – schon aufsteigend sortiert – vom Fachbereich Materialwirtschaft übergeben, da sie einfach den Karteikarten zugeordnet waren. Die Sortierung der Belege war notwendig, da auf Grund der geringen inneren Speicherkapazität des SER2c keine Sortierung stattfinden konnte. Es wurde also immer ein Stammdatensatz und parallel dazu die Bewegungsdatensätze mit der gleichen Schlüsselnummer gelesen und verarbeitet. Ein Sortierfehler führte zum Abbruch der Bearbeitung, musste manuell korrigiert und das Programm neu gestartet werden. Bei der Rechengeschwindigkeit des SER2c dauerte eine Materialabrechnung schon mal 7 Stunden. Die Erstellung der erforderlichen kaufmännischen Programme erfolgte meist durch uns auf der Basis des Handbuches nach der Befehlsliste (s. Anlage Befehlsliste SER2c) .

Ein arges Problem ergab sich, wenn der Programmierer nicht mehr verfügbar war und sich plötzlich eine Programm-Änderung (z.B. im Zahlenformat) notwendig machte. Der Eingriff in so ein individuell entwickeltes Programm gestaltete sich außerordentlich schwierig. Die Dokumentation der Software offenbarte seinerzeit große Mängel. Man fühlte sich glücklich, wenn das Programm überhaupt erst mal lief. In manchen Fällen kam man schneller zum Ziel, das Programm noch einmal neu zu schreiben. Der Einsatz des ersten Kleinrechners SER2c hatte sehr rasch die kaufmännischen Fachbereiche des Institutes überzeugt, da dort die lästige manuelle und zeitaufwändige Karteikartenarbeit auf Kerblochkarten wegfiel und die Analysen bereits fertig vom SER2c geliefert wurden.

Die rasante Entwicklung der Rechentechnik und der Wunsch nach mehr und schnelleren Auswertungen führte dann dazu, dass 1973 der SER2c durch den C8205Z abgelöst wurde. In der Übergangszeit wurde dann die Abrechnung parallel auf dem SER2c und dem C8205 durchgeführt. Insbesondere die Anforderungen durch die Forschung und Entwicklung in unserem Unternehmen führten im weiteren Verlauf zum Einsatz von zwei C8205Z und später zu zwei KRS 4200. Diese KRS4200 nutzten wir auch für die Programmierung numerisch gesteuerter Drehmaschinen in unserer Produktion, da hierfür die Steuerlochstreifen erstellt wurden. Dafür gab es eine eigene Programmiersprache.

In den 90er Jahren kamen dann zusätzlich die Bürocomputer A5120, PC1715 und Schneider-Computer zum Einsatz. Für Prozess- Steuerungen unserer Kunden (z.B. Kieswerke und Steinbrüche) programmierten wir in dieser Zeit auch Mikrorechner K1510 und K1520. Die rasante Entwicklung der Hardware stellte auch immer wieder neue Anforderungen an uns Programmierer und wir mussten stets neue Programmiersprachen erlernen. Von den Maschinensprachen des SER2c und C8205 bis zu BASIC, FORTRAN, Pascal und C++ und auch Assembler waren alle erforderlich.

Ich bin ein bisschen stolz, dass ich diesen Entwicklungsprozess seit dem ersten DDR-Kleincomputer SER2c begleiten konnte, was vor allem auch an dem Super-Team unseres Bereiches lag, das im Laufe der Zeit auf 12 Mitarbeiter gewachsen war. Unser ehemaliges Kollektiv trifft sich nach wie vor zweimal im Jahr. Im Jahr 2018 besuchten wir alle gemeinsam das Zuse-Computer-Museum (ZCOM) und konnten dort den technischen Entwicklungsprozess sehr schön nacherleben. Ich wünsche dem ZCOM-Team für die weitere Arbeit viel Erfolg und immer viele neugierige Besucher!

Senftenberg, Februar 2022

Ilse Streichan


Anlagen:


Fernschreibcode


Befehlsliste SER2c, dem Handbuch entnommen