Eine funktionierende 50 Jahre alte „Zuse“. Ist das möglich?
Ja, das ist möglich! Gezeigt haben dies die Mitarbeiter des Regionalen Rechenzentrums und der Friedrich-Alexander Universität Erlangen. Von der Vorführung der Zuse Z 23 und dem dazugehörigen Festkolloquium möchte ich Ihnen heute berichten.
Ist die Zuse Z 23 ein Star?
Ja, wenn man von den Teilnehmerzahlen ausgeht. Die Veranstaltung fand in einem Hörsaal mit 200 Plätzen des Rechenzentrums Erlangen statt. Die Sitzgelegenheiten reichten aber lange nicht aus. Deshalb wurden per Video-Stream die Vorträge in zwei andere Hörsäle übertragen. Über 300 Gäste wollten die restaurierte Zuse-Maschine bewundern und das waren nicht nur Mitarbeiter und Studenten der Universität Erlangen. Museumskollegen aus dem Konrad-Zuse-Museum Hünfeld und aus dem Heinz Nixdorf MuseumsForum Paderborn lauschten ebenfalls den Vorträgen und Ausführungen. Vertreten waren ehemalige Mitarbeiter der Zuse KG und Mitglieder der Konrad-Zuse-Gesellschaft. 14 Uhr sollte das Kolloquium beginnen aber bereits 13:30 Uhr durfte man seinen Platz nicht mehr verlassen, um ihn nicht zu verlieren.
Drei Stunden Vorträge über einen alten Rechner, wird das nicht langweilig?
Nein, ganz und gar nicht, da es weniger um die technischen Details als vielmehr um die Lebensgeschichte „der Zuse“ und ihrer Wiederbelebung ging. Für mich war bis jetzt ein Computer, Rechner immer männlich, aber als erstes lernte ich in dem Kolloquium, dass „DIE ZUSE“ weiblich ist. Ich war erstaunt wie viele Herren mit ihr eine „Hochzeit“ gefeiert haben und dass einige Nutzer zu Hause Ärger bekamen durch zu intensive Beschäftigung mit ihr, damals wie noch heute.
1962 kam sie als erster Großrechner an die Universität Erlangen-Nürnberg und kostete 340.000 DM. Am 14.10.1962 erfolgte die Inbetriebnahme. Sie konnte mit Algol 60, dem Freiburger Code oder dem Formelcode programmiert werden. Die Zuse Z 23 wurde für Zahlentheorien und unendliche Gruppen verwendet. Abschlussarbeiten mit Untersuchungen nummerischer Verfahren, Tests zum Speicherbedarf, Rechenzeiten und der Genauigkeit sowie Entwicklung von Beiträgen für die Programmbibliothek zählten zu ihrem Nutzungsspektrum. Der Vortragende berichtete von einem regelrechten Kampf um die Rechenzeit. Die Rechenzeiten mussten bereits mehrere Wochen im Voraus reserviert werden. Bei größeren Projekten wurden Abend- und Nachtzeiten sowie Wochenendtermine vergeben. Die „Zuse“ arbeitete somit rund um die Uhr. Nachdem sich die Universität einen TR440 und CYBER172 anschaffte, verlor die Z 23 an Attraktivität. Schließlich wurde sie 1976 an das örtliche Gymnasium abgegeben. Dort war sie von Anfang an ein fester Bestandteil des Informatikunterrichts. Die „Zuse“ half auch bei der Stundenplanerstellung. 1983 kam es leider zu einer Netzstörung. Seit diesem Zeitpunkt war es den Lehrern zu gefährlich, die Rechenmaschine weiter zu benutzten. Bis 2009 schlummerte sie vor sich hin. Durch die geplante Sanierung der Schule kam die Z 23 wieder zurück an die Universität und wurde einer umfassenden Wiederbelebungskur unterzogen. Vier wissenschaftliche Mitarbeiter vom Lehrstuhl Informatik und der ISER-Sammlung nahmen sich ihr liebevoll an. Ihre Reaktivierung gestaltete sich nur leider nicht so einfach wie gedacht…
Am Anfang gab es mehr Fragen und Probleme als Lösungen. Um zu testen, ob die Maschine noch läuft, sollte sie angeschaltet werden. Nur, wo befand sich der Stecker? Was sollte vorher begutachtet werden, damit sie nicht in alle Einzelteile zerfällt? Wo befindet sich das BIOS? Wo bootet die Maschine? Dem Expertenteam wurde die Einzigartigkeit der „Zuse“ erst richtig bewusst. Deshalb hieß es als erstes, sich mit der Maschine bis ins kleinste Detail auseinanderzusetzen. Unterlagen und Schaltpläne waren genügend vorhanden. Nur wie liest man diese? In der Entstehungszeit der Pläne gab es noch keine DIN/ISO Norm. Erschwerend kam hinzu, dass die Zuse KG eigene Symbole verwendete und es hauseigene Änderungen in den Dokumenten gab. Nach intensiver wissenschaftlicher Aufarbeitung folgte die Zerlegung der Trommel. Dass der Trommelspeicher das Herz der Maschine und der Taktgeber für die „Zuse“ ist, ging gut aus den Unterlagen hervor. Bei dem Trommelspeicher war aber nicht nur das Lager defekt, sondern auch die Spuren. Selbst der Motor war durchgebrannt. Mit einer zweiten Trommel aus dem Museum Hünfeld, viel Fingerspitzengefühl und Geduld wurde die Trommel in einer einjährigen Arbeit wieder justiert. Ein weiteres Problem war der Starkstromanschluss. Um die Maschine zu testen wollte man nicht das ganze Rechenzentrum lahm legen, das hätte Ärger mit den Kollegen gegeben. Als Lösung kam ein Generator mit Baustellenverteiler zum Einsatz. Außerdem mussten sämtliche defekte Stromkabel ausgetauscht und nach Anschlusspunkten gesucht werden. Als dies geschafft war ging es an das Innenleben der Maschine. Alle Kontakte waren oxidiert. Es mussten aber nur 20 Transistoren ausgewechselt werden. Nach Aussage des Teams, hätten sie die Z 23 nicht wieder funktionsfähig bekommen, ohne die hilfreiche Unterstützung eines 78-jährigen Zuse-Technikers.
Wie klang die Z 23?
Das Kolloquium schloss mit dem Festvortrag von Konrad Zuses Sohn Horst. Darauf folgte mit 1 ½ Stunden Verspätung endlich die Demonstration der Zuse Z 23. Vorgeführt mit u. a. einem Computerspiel der wahrscheinlich ersten Generation, bei dem die Reaktionsgeschwindigkeit des Bedieners getestet wird. Aufgrund der Reaktionszeit errechnet die „Zuse“ als Witz ein Promille-Wert. Die Maschine war gar nicht so laut wie gedacht. Neben dem Summen der Trommel, klapperten der Lochstreifenleser und das Ausgabegerät vor sich hin. Außerdem stieg die Zimmertemperatur spürbar an. Die Maschine produziert in kurzer Zeit ganz schön viel Wärme.
Wie funktioniert die Maschine?
Zuerst erfolgte die Inbetriebnahme der Trommel, einige Zeit später der Maschine, nachdem sich die Trommel warmgelaufen hatte. Anschließend wurde das Grundprogramm getestet. Da es damals noch kein BIOS gab wurden die Befehle über Lochstreifen in den Speicher geladen. Es gab nur 5 Befehle. Das Grundprogramm war gleich dem Betriebssystem und umfasste 10.000 Befehle. Nach Einlegen des Programms, also des Lochstreifens, startete der Einlesevorgang. Nach dem Starten des Programms wurden die Ergebnisse mit Hilfe des Fernschreibers wiedergegeben. Um auch Testprogramme vom heutigen PC eingeben zu können, wurde ein USB-Adapter für die 52 Jahre alte Dame entwickelt. Nach Aussage des Forschungsteams ist es noch ein langandauerndes Projekt, weil die Fehlersuche nie aufhört. Nach neun Stunden Rechenzeit folgt eine Stunde Reparatur.
Fazit: Junge Menschen von der alten Rechentechnik zu begeistern ist hier geglückt. Ich finde die Entwicklungen von Konrad Zuse alle spannend, aber die Z 23 ist mein Liebling, weil ich jetzt ihre Nutzungs- und Lebensgeschichte kenne.
Ich stehe Restaurierungen von historischen Maschinen grundsätzlich kritisch gegenüber, weil diese meistens an die Substanz gehen und das Objekt irreparabel verändert wird. Das Forscherteam aus Erlangen hat aber versucht, trotz kompletter Zerlegung der Maschine, ihre Authentizität und Originalität durch die Nutzung originaler Bauteile zu erhalten. Hoffentlich wird die Z 23 nicht durch zu viele Vorführungen überstrapaziert, da die Anzahl der Ersatzteile leider endlich ist.
Auch in unserer neuen Ausstellung wird eine Zuse Z 23 zu sehen sein. Sie hat den Weg von Hamburg nach Hoyerswerda gefunden. Was sie wohl Spannendes erlebt und gerechnet hat…?
Wir sollten am Berliner Tor in Hamburg in den 60er Jahren eine 5-stufige Turbine rechnen. Das war mit Rechenschieber und Bleistift auf Papier fast nicht zu erledigen und einigermaßen vernünftige Taschenrechner wenn verfügbar kosteten über 2000 Mark und kannten 4 Grundrechnungsarten. Dann hat unser Dozent uns die Benutzung der Zuse angedient. Das Programm wurde über Fernschreiber auf Lochstreifen geschrieben. Dann wurde der Lochstreifen eingelesen und schon nach einiger Zeit fing der Fernschreiber an zu tickern und gab die Meldung „Überlauf Operandenkeller“ vor unseren enttäuschten Gesichtern heraus. Meist hatte der Locher irgendwo unsauber gelocht und der Lochstreifen mußte geprüft un korrigiert werden. Das war mühselig und zeitaufwendig. an etliche Tagen haben wir bis morgens um vier oder fünf vor dem Rechner verbracht. Ergebnisse haben wir auch herausbekommen. Wir haben etwas über den Umgang mit rechenhilfsmitteln gelernt und das ingenieurmäßige Denken, eine Aufgabe niemals unerledigt zu lassen. Das hat uns auch für die folgenden Berufsjahre geholfen, nicht nur Ingenieur zu heißen, sondern Ingenieur zu sein. Dank Konrad Zuse und unseren Dozenten