Marianne Tschiedel am Arbeitsplatz in der ambulanten Frühförderung der Lebenshilfe RV Kamenz-Hoyerswerda e. V.
„Softwareentwicklung blieb meine Leidenschaft“
Marianne Tschiedel
Meine berufliche Tätigkeit im Rechenzentrum des ehemaligen Gaskombinates Schwarze Pumpe (GKSP) endete im Jahre 1997 (s. Computergeschichte „EDV in der Kohleindustrie der DDR“). Nach Kurzarbeit und halbjähriger Arbeitslosigkeit hatte ich mit 58 Jahren plötzlich keine beruflichen Aufgaben mehr zu erledigen – und das in einem Alter bester Schaffenskraft mit beachtlichem Wissen und soliden Kenntnissen in der Vorbereitung, Organisation und Programmierung von Groß- und Kleinrechnern (PC) für Datenverarbeitungsprozesse. Auch die SAP-IBM-Programmierung mit PL1 erlernte ich noch 1995/96 im Schulungszentrum in Walldorf bei Heidelberg.
Bereits im Rechenzentrum des GKSP hatte ich begonnen, auf einem BC 5120 mit dem Betriebssystem CP/M und der Programmierumgebung REDABAS (Clone von dBASE III*) des VEB Robotron Dresden Datenbanken zu programmieren.
Foto: Am 15.12.1986 am BC 5120 im Rechenzentrum Hoyerswerda v. l.: Kollegen Herr Niemz, Herr Pohlig und Marianne Tschiedel. – Erste Programmierversuche. Wegen knapper Verfügungszeiten mussten wir unsere Test-Zeiten in einem Stundenplan anmelden.
Später kam das originale Datenbankmanagementsystem dBASE III Plus des amerikanischen Softwareentwicklers Borland zur Anwendung. An der Betriebsakademie des GKSP erteilte ich Unterricht zu dBASE III Plus für PC, wofür ich das Schulungsprogramm „Train“ („Trainieren“) entwickelte. Dabei stand mir in der Schulung nur ein Vorführ-PC zur Verfügung. Zu Hause hatte ich noch keinen PC, so dass ich „Train“ im Rechenzentrum erarbeiten musste.
Durch die Vermittlung ehemaliger Schulungsteilnehmer, Herrn Wehran und Frau Haugke, die inzwischen die Firma PSW als Schulungsstätte gegründet hatten, und dem Leiter des Amtes für Schulen und Kindertagesstätten, Herrn Gerhard Walter, bin ich bei der Stadtverwaltung Hoyerswerda für die Erarbeitung von Datenbanken zur Erfassung und Abrechnung von Ein- und Ausgaben (EAA) nach Sachkonten der Stadt im Fachbereich Bau beauftragt worden. Die Aufgabenstellungen erhielt ich vom Amtsleiter Herrn Dietmar Wolf, Frau Gabriele Linack und Herrn Schindler.
Zunächst programmierte ich weiter in dBASE III Plus. Danach erlernte ich autodidaktisch die Handhabung des Microsoft-Office-Datenbankmoduls ACCESS. Ich erwarb eine private Lizenz von MS ACCESS für meine selbständige Tätigkeit und programmierte fortan in diesem System. Die Endfassung der Datenbank berücksichtigte bereits die „Doppelte Haushaltsführung“, die sog. DOPPIK.
Meinem Ehemann Horst Tschiedel, Mitbegründer des Computermuseums ZCOM in Hoyerswerda, verdanke ich die ununterbrochene Einsatzbereitschaft meines heimischen PC-Arbeitsplatzes. Er stellte mir zeitnah die notwendige Systemsoftware und die erforderliche Hardware zum neusten Stand bereit. |
Parallel zu meinen städtischen Projekten wurde ich durch Herrn Gabriel, Mitarbeiter des Sozialamtes der Stadt Hoyerswerda, zu einem weiteren Hauptauftraggeber vermittelt. Die Lebenshilfe RV Kamenz-Hoyerswerda e.V. suchte „Jemanden, der mit PC umgehen kann.“ Die Leiterin der Ambulanten Frühförderung, Frau Angelika Meischner, konnte ich überzeugen und begann so mit der Programmierung von Adress- und Kinder-Datenbanken. Das betraf die Ambulante Frühförderung sowie die Integrations-Kindertagesstätten (KITA’s) „Max und Moritz“, „Bussi Bär“ und „Brüderchen & Schwesterchen“.
Für sie programmierte ich in zwei Haupt-Ordnungskriterien – für Kinder von 0 bis 3 und für Kinder von 4 bis 6 Jahre – ein komplettes Verwaltungs- und Abrechnungssystem inkl. Statistik und Meldesystem für die Hauptverwaltung in Kamenz sowie das Jugend- und Sozialamt in Hoyerswerda. Zum Beispiel wurden die Beitrags- und Essengeld-Bezahlungen durch die Eltern erfasst und gemeldet. Darüber hinaus entwickelte ich eine umfassende Inventur-Datenbank zur aktuellen Erfassung des Inventars mit jährlichen Nachweislisten je Einrichtung.
Weiterhin erarbeitete ich eine relativ große Excel-Lösung, in der bis 800 Tabellen mit einer Gesamt-Zusammenfassungs-Tabelle enthalten waren, sie diente dem Nachweis der Arbeitsstunden aller 22 Diagnostiker und Therapeuten in der Frühförderung.
Bei den Internet-Auftritten handelte es sich um die Einrichtung und Betreuung der Homepages der KITA’s „Max und Moritz“ und „Brüderchen & Schwesterchen“.
Sie enthielten alle angebotenen Betreuungsangebote, wie z. B. Spiele, Beschäftigungen und Sportübungen. Die Leiterinnen übergaben mir im Einverständnis mit den Eltern viele Kinderfotos mit den Übungen zur Übernahme in die jeweilige Homepage.
Auszug aus einer Broschüre, die mir zur Verabschiedung von der
Lebenshilfe RV Kamenz-Hoyerswerda e.V. überreicht wurde:
Ich arbeitete somit in zwei völlig andersgearteten Auftraggeber-Entwickler-Teams: Ich erfüllte die wachsenden komplexen Herausforderungen als „Einzelkämpferin“. Ich managte und programmierte allein – ohne einen weiteren Programmierkollegen! Manchmal hätte ich mich allzu gerne mit jemandem ausgetauscht und einzelne Aufgaben abgegeben, was leider nicht möglich war.
Rückblickend schaue ich auf eine sehr schaffensreiche Zeit zurück, die ca. 20 Jahre andauerte. Oft hatte ich das Gefühl, mich in einer ständigen Bereitschaft zu befinden. Sogar im Urlaub war ich im Notfall ansprechbar. Zu allen Kolleginnen und Kollegen in der Stadtverwaltung und bei der Lebenshilfe e.V. hatte ich immer ein gutes, kollegiales und freundschaftliches Verhältnis. Die von mir entwickelte Software wurde nach 2020 bis auf die Datenbank Inventur sukzessive durch andere ersetzt, die von eigenständigen Softwarefirmen erstellt und betreut wurden.
Diplom-Ökonomin Marianne Tschiedel
Hoyerswerda, Dezember 2023