Konrad Zuse wäre in diesem Monat 105 Jahre alt geworden. Dies nehme ich zum Anlass etwas über den jungen Zuse und seine Jugendzeit in Hoyerswerda zu berichten. Um damit beginnen zu können, muss ich aber zuerst einen Bogen über Berlin-Wilmersdorf und Braunsberg schlagen.

Konrad Zuse wurde am 22.06.1910 in Berlin-Wilmersdorf geboren. Im Alter von zwei Jahren zog er mit seiner Familie nach Braunsberg in Ostpreußen. Als preußischer Postbeamter mittlerer Laufbahn wurde sein Vater Emil Zuse dorthin versetzt.

Welchen Lebensabschnitt verbrachte Konrad Zuse in Braunsberg?

Konrad Zuse absolvierte dort die Grundschule. Zuerst aber kurz ein paar Worte zu seinen Eltern Maria und Emil Zuse. Seine Mutter war emsig und sparsam. „Mein Vater war Preuße, preußischer Beamter im besten Sinne. Bei seinem vierzigjährigen Dienstjubiläum hatte er nicht einen Tag wegen Krankheit gefehlt.“ (Konrad Zuse, Der Computer mein Lebenswerk, Springer Berlin Heidelberg, 1993, S.1.) Die Eigenschaften der Eltern prägten den jungen Konrad für die Zukunft und halfen ihm bei der Umsetzung seiner Erfindungen. Mit nach Braunsberg zog auch seine ältere Schwester Liselotte.

Braunsberg war damals eine verschlafene Kleinstadt. Mit neun Jahren besuchte Konrad Zuse nach der Grundschule das sehr strenge und traditionelle humanistische Gymnasium Hosianum. Dort musste er acht Stunden in der Woche Latein pauken. Dies war nicht sein Lieblingsfach. In seiner Biografie schreibt Zuse dazu: „In starker Erinnerung ist mir unser Lateinlehrer Hohmann, genannt Tithemi, geblieben. Er stellte in besonderer charakteristischer Weise den Typ des alten, humanistischen Gymnasiallehrers dar. […] Mir persönlich jedoch lagen alte Sprachen nicht. Latein insbesondere, wie er es zu pflegen lehrte, war mir ein Gräuel. Im stärksten Berliner Bombenkrieg habe ich nicht wieder solche Ängste ausgestanden wie in den allmorgendlichen Lateinstunden, wenn jeder bangte, ob er heute drankäme.“ (Konrad Zuse, Der Computer mein Lebenswerk, Springer Berlin Heidelberg, 1993, S. 6.) Um sich die Zeit angenehmer zu gestalten, verschönerte er sein Lateinbuch mit Lokomotiven und Berliner Stadtzügen.

Versetzung nach Hoyerswerda

1923 wird Emil Zuse als Oberpostmeister nach Hoyerswerda versetzt. Dort wohnte die Familie Zuse im Postamt auf der heutigen Friedrichsstraße (damals Kirchstraße).

Blick auf die Kirchstraße 1913 (Copyright Stadtmuseum Hoyerswerda)
Blick auf die Kirchstraße 1913 (Copyright Stadtmuseum Hoyerswerda)

War Konrad Zuse ein Musterschüler?

In Hoyerswerda besuchte der junge Konrad das Reform-Realgymnasium. Bei dieser Institution lagen die Schwerpunkte auf den Naturwissenschaften und der Mathematik. Außerdem gab es sehr viele junge Lehrer. Dies gefiel Konrad Zuse. Laut seiner Aussage konnte sich der Geist hier besser entfalten.

Nach seinem Zeugnis 1926 war er aber nicht der Musterschüler. An seinen Noten sind klar seine Interessen und Neigungen zu erkennen. In Zeichnen bekam er eine Eins, ein Gut in Betragen, Mathematik, Latein und Physik. In den Fächern Religion, Deutsch, Französisch, Geschichte, Erdkunde, Schreiben und Singen ist eine Vier auf dem Zeugnis vermerkt. Ostern 1928 legte Konrad Zuse die Reifeprüfung in Hoyerswerda ab.

Auszug aus den Schulakten (Copyright Stadtmuseum Hoyerswerda)
Auszug aus den Schulakten (Copyright Stadtmuseum Hoyerswerda)

Was machte der junge Zuse in seiner Freizeit?

Konrad Zuse interessierte sich für Technisches und Konstruktives, wie Industrieanlagen, Kraftfahrzeuge und Brücken. Dafür bot Hoyerswerda eine gute Umgebung, weil die Stadt damals durch die Eisenbahn, Aluminium- und Glasindustrie sowie den modernen Braunkohlebergbau einen rasanten industriellen Aufschwung erlebte. „In Hoyerswerda gab es endlich auch eine technische, eine technisierte Umwelt. […] Die großen Abraumförderbrücken gaben mir eine erste Vorstellung von einem automatisierten, technischen Zeitalter.“ (Konrad Zuse, Der Computer mein Lebenswerk, Springer Berlin Heidelberg, 1993, S. 8.)

Der Stabilbaukasten war seine große Liebe. Damit konnte er die aus der Umgebung von Hoyerswerda gewonnenen Anregungen von Kränen und Abraumförderbrücken in Miniatur verwirklichen. Stolz auf seine Konstruktionen reichte er diese bei der Firma des Metallbaukastens ein und bekam Preise dafür. Von diesen kaufte er sich meistens Erweiterungen für den Baukasten. Unter anderem baute er zum Beispiel einen Kran mit beweglichem Arm, welcher vom Schreibtisch aus mit Schnüren gesteuert werden konnte.

Er nutzte den Metallbaukasten auch für funktionale Zwecke. Er reparierte mit den Metallblättchen die Zweigangschaltung seines Fahrrads. Es kann festgestellt werden, dass die bei den Tüftelarbeiten erlernten Fertigkeiten und Erfahrungen mit dem Metallbaukasten essentiell für die spätere Konstruktion der Z1 waren.

Seine zweite Leidenschaft war das Malen. Das Zeichnen ging ihm, durch seine eher optische Grundeinstellung zur Welt, flott von der Hand, wie er selber sagte. In Hoyerswerda fertigte er witzige Karikaturen und Aquarelle. Förderlich dafür war, dass sich der Zeichenlehrer Bracki auch für moderne Malerei interessierte. Er erklärte die verschiedenen Kunstrichtungen der Zeit, u. a. den Expressionismus im Zeichenunterricht. Am Expressionismus fand Konrad Zuse gefallen, wahrscheinlich durch seine mathematischen Grundformen und Bildstrukturen. Ihn inspirierte ebenfalls der Besuch der damaligen Kunstausstellung in Dresden.

Bei der Jahresabschlussarbeit der Oberprima wollte Konrad Zuse seine technischen und künstlerischen Fähigkeiten beweisen. Sein Ziel war es, eine Stadt der Zukunft zu entwerfen, angeregt durch den Film von Fritz Lang „Metropolis“. In seiner Arbeit „Metropolis, die verkehrstechnische Erschließung einer 35-Millionen-Stadt“ befasste er sich mit dem Verkehrsfluss einer Großstadt. Dabei berücksichtigte er aber nicht den ruhenden Zustand der Autos. Die Parkplätze vergaß er bei seinem Konzept. Eine Stadt ohne Parkplätze wäre heute fatal. Bereits zu Schulzeiten stritten sich in Konrad Zuses Brust der Ingenieur und Künstler.

Was Konrad Zuse bei seinem Studium alles erlebte, erfahren Sie in einem späteren Blogbeitrag.